60 Jahre Volvo P120 Amazon: Vorbildlich sicher und unvergänglich schön
Athletische Limousinen, schnelle GT und praktische Kombis mit Lifestyleflair
Pioniere der passiven Sicherheit durch serienmäßige Dreipunkt-Sicherheitsgurte
Weltweit erfolgreiche Kultmodelle mit Langzeitqualitäten
Schwechat. Er ist eine Ikone zeitlos schönen Automobildesigns aus Skandinavien. Der Volvo P120 Amazon feierte vor 60 Jahren seine Weltpremiere und prägte während seiner fast anderthalb Jahrzehnte dauernden Produktionszeit in Werken auf drei Kontinenten das Image global erfolgreicher, formvollendeter und fast unzerstörbar langlebiger Limousinen und Kombis der schwedischen Premium-Marke. In einer Epoche modischer Schnelllebigkeit in der Automobilbranche zeigte der Volvo P120 Amazon unvergängliche Eleganz, kombiniert mit immer neuen wegweisenden Innovationen in der Antriebs- und Sicherheitstechnik. So präsentierte sich der Volvo P120 Amazon im Jahr 1959 als weltweit erste viertürige Limousine mit serienmäßigen Dreipunkt-Sicherheitsgurten vorne und sogar Befestigungspunkten für Fond-Sicherheitsgurte.
Zu einem Volumenhersteller war Volvo bereits mit den Fastback-Limousinen vom Typ Volvo PV444 aufgestiegen, aber erst mit dem Volvo P120 Amazon konnte die schwedische Premium-Marke den Weltmarkt erobern. Als die neuen viertürigen Volvo am ersten Septemberwochenende des Jahres 1956 in der mittelschwedischen Stadt Örebro vorgestellt wurden, eroberten sie die Herzen des Publikums im Sturm. Und nicht nur das. Die ebenso eleganten wie modernen Mittelklasse-Limousinen unterschieden sich vollkommen von ihren Vorgängern und gaben so das Startsignal für die Weltkarriere des schwedischen Konzerns.
Volvo Amazon für Skandinavien, Volvo P120 für den Weltmarkt
Gezeichnet wurden die unvergänglich schönen Linien des Volvo P120 Amazon vom erst 26-jährigen Jan Wilsgaard, dem späteren langjährigen Leiter des Volvo Designzentrums. Unter Wilsgaards Verantwortung entstanden dabei die Formen der Volvo 140 und Volvo 240 sowie die Volvo 700 Serie und auch noch teilweise das Design des Volvo 850. Vor wenigen Wochen ist Jan Wilsgaard im Alter von 86 Jahren verstorben.
Den anfänglich ausschließlich viertürigen Volvo P120 Amazon gestaltete Wilsgaard in damals neuartiger Pontonform mit feinen Stilelementen aus der italienischen, britischen und amerikanischen Designkultur. Dagegen verkörperten die massiven, panzerschrankähnlichen Türen und die hohe Gürtellinie Sicherheit, während die Front mit der V-förmigen Motorhaube von den sportlichen Ambitionen des Volvo P120 Amazon kündete. Ein Design, das in dieser Form einzigartig war und weltweit begeisterte. Gesteigert wurde der repräsentative Auftritt der lediglich 4,45 Meter langen Limousine durch eine edle Zweifarb-Lackierung, die in den Modelljahren 1957 bis 1959 serienmäßig war. Angeboten wurden Kombinationen aus schwarz, mitternachtsblau oder rubinrot lackierten Karosserien mit hellgrauem Dach oder aber eine hellgraue Karosserie mit schwarzem Dach. Ab 1959 wurden alternativ einfarbig lackierte Volvo P120 Amazon angeboten, die dann mit Modelljahr 1962 alle zweifarbigen Versionen ablösten.
Eine exklusive Farbpalette, mit der Volvo ebenso internationales Aufsehen bewirkte wie mit der Namensgebung der neuen Modelle, mit der die nordische Mittelklasse an die Amazonen erinnerte. Jene besonders verwegenen Kriegerinnen der griechischen Mythologie, die mit Pfeil und Bogen kämpften. Die anfänglich Volvo Amason (mit „s“ geschrieben) genannten Fahrzeuge änderten ihren Namen 1957, kurz vor Anlauf der Großserienproduktion, in das internationaler klingende Volvo Amazon. Allerdings hatte der deutsche Motorradhersteller Kreidler zu dieser Zeit bereits die Namensrechte für sein neues Moped Amazone in den wichtigen Schlüsselmärkten schützen lassen.
Volvo erreichte schließlich eine Vereinbarung, nach der die schwedischen Modelle in Skandinavien als Volvo Amazon vermarktet werden durften. In allen anderen Ländern dagegen nannte sich der Standardtyp nur Volvo 121 und die sportliche Version Volvo 122. Die 1961 eingeführten Kombis wurden entsprechend Volvo 221 und Volvo 222 genannt. Weltweit bekannt wurden die Fahrzeuge dennoch unter dem Namen Volvo Amazon.
Vielfalt wie noch nie: Elegante Viertürer, schnelle Sportler und schicke Familien-Kombi
Schon 1958 erweiterte Volvo das Typenangebot des anfangs ausschließlich viertürigen Mittelklasse-Bestsellers. Passend zum offiziellen deutschen Vertriebsstart der schwedischen Marke debütierte der dank Doppelvergaser und schärferer Nockenwelle 61 kW (83 PS) starke Volvo P120 Amazon Sport. Es ging aber noch mehr: Mit bis zu 94 kW (128 PS) starken werksseitigen Sportmotoren zählte der Volvo P120 Amazon über Jahre in zahlreichen Tourenwagen- und Rallyemeisterschaften zu den Titelfavoriten.
Ab Ende 1961 gab es den Volvo P120 Amazon auch als zweitürige Limousine, die zum Modelljahr 1967 die Basis lieferte für den Volvo 123 GT Amazon mit 76 kW (103 PS) starkem Motor und elektrisch betätigtem Overdrive-Getriebe aus dem legendären Sportcoupé Volvo 1800 S. Zu erkennen gab sich der Volvo 123 GT Amazon vor allem an zwei zusätzlichen Jod-Scheinwerfern mit den Funktionen Weitstrahler, Nebelscheinwerfer und innovativem Kurvenlicht. Auch ein Drehzahlmesser durfte nicht fehlen, allerdings war der B18-Vierzylinder im Volvo 123 GT ohnehin gut für Langstreckenrekorde. So erreichte der Amerikaner Irv Gordon mit seinem Volvo 1800 S und B18-Motor drei Millionen Meilen (4,8 Millionen Kilometer). Eine einzigartige Bestmarke, die auch das Bild der Volvo P120 Amazon als ausgewiesene Langstreckenläufer bestätigt.
Die Welt der Kombis revolutionierte dagegen der im Februar 1962 eingeführte Volvo P220 Amazon. Dieser dynamische Vorreiter heutiger Familien- und Freizeitkombis überraschte durch elegante Formen und eine horizontal geteilte Hecktür, so wie sie sonst bei amerikanischen Kombis beliebt war. Anders als der Vorgänger Volvo Duett und alle Konkurrenten mit Lieferwagencharme war der Volvo P220 Amazon ein Lademeister mit Lifestyleflair.
Die kontinuierliche Modellpflege hielt die Volvo P120 Amazon frisch – auch nach Einführung des designierten Nachfolgers Volvo 140 im Jahr 1966. So profitierten im Herbst 1968 beide Modellreihen vom neuen B20-Motor mit 2,0 Liter Hubraum und Abgasreinigungssystem. Der größere Hubraum sorgte für mehr Drehmoment und Leistung.
Serienmäßiger Dreipunkt-Sicherheitsgurt als Lebensretter
Wenn es um die Sicherheit ging, fuhr Volvo schon immer voran. Aber der Volvo P120 Amazon brachte Innovationen, die die ganze Automobilwelt nachhaltig veränderten. Ab 1959 wurde der Volvo P120 Amazon serienmäßig mit dem von Volvo patentierten Dreipunkt-Sicherheitsgurt ausgestattet – eine Weltneuheit! Keine andere Sicherheitsausstattung ist bis heute auch nur annähernd so wichtig. Schätzungen zufolge wurde der Dreipunkt-Sicherheitsgurt in seiner bisher 57-jährigen Produktionszeit für über eine Million Menschen zum Lebensretter.
Damit nicht genug, wartete der Volvo P120 Amazon noch mit vielen weiteren außergewöhnlichen Sicherheitsfeatures auf, darunter das gepolsterte Armaturenbrett, die Zweikreisbremsanlage und der effektive Rostschutz, der ein vorzeitiges Kollabieren von Karosserieteilen verhinderte. Alle gefährdeten Bauteile wurden im Warmbad verzinkt – eine revolutionäre Maßnahme, die auch dazu beitrug, dass der Volvo P120 Amazon eine weit überdurchschnittliche Lebenserwartung hatte.
Eine beispiellose Erfolgsstory: Das erste Weltauto mit schwedischen Wurzeln
Insgesamt wurden von 1956 bis 1970 genau 667.791 Volvo P120 Amazon produziert, womit die Mittelklasse-Baureihe zum erfolgreichsten Volvo Modell jener Jahre avancierte. Mit dem Volvo P120 Amazon rückte der Focus des schwedischen Premium-Herstellers vom Heimatmarkt auf den Weltmarkt. So wurden vom Volvo P120 Amazon bereits rund 60 Prozent der Produktion auf Exportmärkten abgesetzt.
Tatsächlich war dieses Modell auch der erste Volvo, der sogar außerhalb Schwedens produziert wurde. Zunächst wurde im Jahr 1963 im kanadischen Halifax ein Werk eröffnet, das den nordamerikanischen Markt belieferte. Später ging ein weiteres Werk im südafrikanischen Durban an den Start. Die größte Investition tätigte Volvo jedoch in der belgischen Stadt Gent. Dort wurde 1965 eine Fabrik eröffnet mit einer anfänglichen Jahresproduktionskapazität von 14.000 Fahrzeugen. Für Volvo war dies ein wichtiger Schritt zu Zollerleichterungen, da Schweden noch kein Mitglied der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) war.
Der letzte Volvo P120 Amazon wurde am 3. Juli 1970 im Werk Torslanda bei Göteborg gebaut. Eine dunkelblaue Limousine, die direkt in die Fahrzeugsammlung fuhr, aus der später das Volvo Museum hervorging.
Zehn kaum bekannte Fakten über den Volvo P120 Amazon:
1. Etwa acht Prozent aller 297.000 in Schweden verkauften Volvo P120 Amazon sind noch immer im Einsatz! Am häufigsten ist der Modelljahrgang 1966, von dem es noch 4.804 zugelassene Fahrzeuge gibt. Insgesamt sind in Schweden heute noch 24.282 Volvo P120 Amazon zugelassen.
2. Volvo Werksfahrer Carl-Magnus Skogh gewann 1965 mit einem Volvo 122S die Akropolis Rallye in Griechenland.
3. Gemeinsam mit der schwedischen Polizei entwickelte Volvo besondere Ausstattungsfeatures, die später auch in Serienmodellen Standard wurden. So verfügten die Polizeiautos schon mehrere Jahre vor der Einführung in reguläre Serienfahrzeuge über Vierrad-Scheibenbremsen, Bremskraftverstärker und Gürtelreifen. Die Volvo P120 Amazon in Polizeiausführung waren außerdem mit einem Heckscheibengebläse ausgestattet und mit einem Schalter am Lenkrad, der die Frontscheibenwaschanlage mit der schnellsten Scheibenwischergeschwindigkeit koppelte.
4. Colin Powell, früherer Außenminister der USA und früherer Vorsitzender des amerikanischen Generalstabs Joint Chiefs of Staff, ist ein leidenschaftlicher Automobilenthusiast. Er besaß schon verschiedene klassische Volvo Modelle, darunter einen Volvo P220 Amazon Kombi von 1966. Als sich Colin Powell im Jahr 1993 von seiner Position als Vorsitzender des amerikanischen Generalstabs Joint Chiefs of Staff zurückzog, übergaben ihm US-Präsident Bill Clinton und Vizepräsident Al Gore einen dringend restaurierungsbedürftigen Volvo P120 Amazon.
5. Der Genfer Autokatalog von 1963 präsentierte ein Volvo 122 S Amazon Cabriolet, entwickelt vom belgischen Karossier Jacques Coune. Tatsächlich hatte dieses zweitürige Cabriolet schon im Januar 1963 auf dem Brüsseler Salon seine vielbeachtete Weltpremiere gefeiert. Schließlich handelte es sich um einen formvollendeten Umbau mit rahmenlosen Seitenfenstern und schönen Details wie nach hinten leicht gerundeten Türöffnungen und nach vorne abgewinkelten Rückleuchten. Obwohl der Autokatalog den Eindruck eines Serien-Cabriolets vermittelte, war Volvo in keiner Weise beteiligt. Insgesamt baute Jacques Coune nur vier dieser Cabriolets.
6. Der legendäre New Yorker Werbefachmann Amil Gargano wurde im Jahr 1962 für Volvo tätig. Gargano erkannte, dass Volvo Fahrzeuge von fast unzerstörbarer Robustheit waren und genau das wurde zum Alleinstellungsmerkmal der schwedischen Premium-Marke. So wurde etwa in einem Werbefilm ein Volvo P120 Amazon in extremen Tempo über raue Schotterstraßen getrieben. „Du kannst ihn fahren, als ob Du ihn hasst. Billiger als ein Psychiater“, lautete dazu die Werbebotschaft, die damals eindeutig war, heute allerdings unmöglich ist.
7. Es gab sogar Pläne, den Volvo P120 Amazon mit einem V8-Motor anzubieten. Bei dem V8 handelte es sich um die Weiterentwicklung eines Lkw-Motors. Tatsächlich sollen fünf Prototypen gebaut worden sein sollen, dann allerdings erkannte das Volvo Management, dass ein V8 nicht geeignet war für den Volvo P120 Amazon. Gab es doch dieses Modell nicht einmal als Sechszylinder und so wäre der Sprung von einem Vierzylinder zum V8 zu groß gewesen.
8. Alle im Werk Halifax, Kanada, gebauten Volvo P120 Amazon wurden unter der Modellbezeichnung Volvo Canadian vermarktet.
9. Mit dem Volvo P120 Amazon vergrößerte sich das Volvo Modellprogramm so sehr, dass Volvo im Jahr 1958 seine Position als meistverkaufte schwedische Automobilmarke zurückgewann. Eine Nummer-eins-Platzierung, die sich Volvo seitdem bis heute sichert.
10. Im Kinofilm „Die Unbestechlichen“, einem Thriller über die Watergate-Affäre, die den Rücktritt des US-Präsidenten Richard Nixon erzwang, fährt der Washington-Post-Reporter Bob Woodward, gespielt von Hollywoodstar Robert Redford, einen weißen Volvo P120 Amazon.