Volvo geht gegen Tesla ins Rennen
Kampf am E-Auto-Markt
ORF.at: Trotz seiner Größe ist der chinesische Automobilkonzern Geely in Europa kaum bekannt. Umso populärer sind da schon die Marken und Beteiligungen, darunter Lotus, Daimler und Volvo. Insbesondere die schwedische Traditionsmarke durchlebt seit der Übernahme 2010 wieder gute Zeiten. Und mit der Elektrotochter will man Marktführer Tesla einholen.
Vor der Übernahme durch die Chinesen waren die Probleme des 1927 in Göteborg gegründeten Unternehmens offenkundig. Monate vor dem Kauf berichtete Volvo, dass sich die Nachfrage auf dem Tiefpunkt befinde – schlimm mitgenommen von der Finanzkrise bekam man von der schwedischen Regierung eine Staatsbürgschaft über fünf Mrd. Kronen (445 Mio. Euro).
Sowohl die Pkw-Sparte als auch die Lkw-Sparte waren längst krachend ins Minus gerutscht, Tausende Menschen verloren ihren Job bei Volvo. Mit dem Verkauf des schwedischen Unternehmens von US-Gigant Ford an Geely konnte es wirtschaftlich nicht mehr schlechter werden – auch wenn es infolge der Übernahme durch die Chinesen die üblichen, von Emotionen getragenen Befürchtungen um Marke und Identität gab.
Keine Verbrennungsmotoren mehr
Was die Zahlen betrifft, schaffte Volvo mit Geely im Hintergrund den Turnaround: zwischen 2013 und 2018 wurde der Umsatz verdoppelt. Im Vorjahr standen 642.253 Autoverkäufe zu Buche und damit so viele wie noch nie zuvor. Tatsächlich konnte auch das angestaubte Image abgelegt werden – insbesondere mit einer neuen Strategie für E-Autos. So kam 2017 die Ankündigung, sich schrittweise von Verbrennungsmotoren zu verabschieden.
APA/AFP/Fabrice Coffrini
Der Polestar 2 soll eine Kampfansage an Tesla sein
Fertigung in China
Im selben Jahr wurde mit Polestar eine entsprechende E-Auto-Marke aus der Taufe gehoben – Volvo und Geely halten je 50 Prozent. Die Volvo-Tochter fungiert als hausinterne Tuning-Schmiede, ähnlich wie AMG bei Mercedes. Nach verschiedenen Konzeptfahrzeugen unter der Marke Volvo wurde im Oktober 2017 das erste Fahrzeug unter der Marke Polestar der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die Produktion des ersten Modells Polestar 1 soll im Sommer im chinesischen Chengdu starten. Unlängst folgte die Vorstellung des Polestar 2, des ersten rein batterieelektrischen Fahrzeugs der Volvo-Submarke. Der Produktionsstart ist für 2020 geplant, ebenfalls in der Volksrepublik. Ziel der Marke ist es, jährlich mittelfristig 50.000 bis 100.000 Autos zu produzieren.
Politische Strategie
Überhaupt ist Volvos E-Auto-Strategie stark vom chinesischen Eigner getragen, schließlich wird die Volksrepublik zunehmend zur Drehscheibe für die Entwicklung von E-Autos. In keinem anderen Land sind mehr batteriebetriebene Autos unterwegs. Das hat vor allem einen politischen Hintergrund, schließlich muss die Regierung die E-Mobilität vorantreiben, um dem Smogproblem in Großstädten auch effektiv begegnen zu können.
Mehr als ein Hinweis darauf, dass China die führende Rolle in einer Technologie übernehmen wird, die die Zukunft der Automobilindustrie bestimmen dürfte. Westliche Autokonzerne droht ein Hinterherhinken, Experten gehen davon aus, dass vor allem lokale Hersteller und Lieferanten von den Subventionen profitieren. In Europa und den USA versuchen die Hersteller schon seit Längerem, E-Autos in größerer Stückzahl zu verkaufen.
Wettrennen mit Tesla
Doch bisher gelingt das nur bedingt, denn die Masse an Konsumentinnen und Konsumenten sieht sich trotz Förderung nicht imstande oder bereit, die hohen Preise für Autos mit Akku zu zahlen. Ein Umstand, den Volvo mit dem neuen, ab 2020 ausgelieferten Polestar 2 zum Angriff auf Tesla nutzen will – konkret das Tesla Model 3. Das Auto avancierte im Vorjahr zum weltweit meistverkauften E-Auto und ist seit Februar auch in Europa erhältlich.
Reuters/Jason Lee
Das Tesla Model 3 gibt es seit Kurzem in Europa zu kaufen
Zeichen stehen auf Zweikampf
Preislich und in Sachen Leistung entsprechen die beiden Modelle einander mehr oder minder. Doch ist bemerkenswert, dass die Modelle der übrigen Konkurrenz in preislich weit höheren Sphären schweben – was einen Zweikampf um die Vorherrschaft auf dem E-Auto-Markt erwarten lässt. Denn sowohl Tesla als auch Volvo gehen mit den Versprechen ins Rennen, ihre Modelle bald für niedrigere Preise anzubieten.
Um an frisches Geld für das Polestar-Projekt zu kommen, hatte Volvo Gespräche mit chinesischen und US-amerikanischen Investoren geführt. Man brauche Finanzmittel, „um die sehr teure Entwicklung voranzutreiben“, sagte Volvo-Vorstandsvorsitzender Hakan Samuelsson im Februar. Bis dato hat Volvo die Entwicklung von elektrischen und autonomen Fahrzeugen aus eigener Tasche finanziert, doch das wird auf Dauer kaum durchzuhalten sein.
Auch Volvo selbst (unter der Marke Volvo) plant indessen vollelektrische Modelle, die sich die Basistechnik (Batterie flach im Unterboden) mit den neuen Polestar-Modellen teilen. Mitte 2020 soll der Kompakt-SUV XC40 als vollelektrisches Auto in den Verkauf gehen – etwas später auch die batterieelektrische Version des Nachfolgers der wichtigen Kompaktlimousine V40.
Hohe Vorgaben
Zu Beginn des Jahres hatte Tesla einen Dämpfer erlitten, weil das einflussreiche US-Konsumentenmagazin Consumer Reports über Zuverlässigkeitsprobleme beim Model 3 berichtet hatte. Polestar hofft indessen, in den kommenden zwei, drei Jahren nach Beginn der Lieferungen 50.000 neue Modelle jährlich zu verkaufen. Hersteller wie Volkswagen, Mercedes und BMW begannen im Vorjahr mit der Auslieferung von E-Auto-Modellen – auch sie wollen in den Kampf mit Tesla einsteigen.
sime, ORF.at